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Leitartikel zum Schauspielhaus
Der Verdruss von Jahren
Von Peter Pauls, 05.02.10, 21:12h, aktualisiert 06.02.10, 11:13h
Es geht nicht mehr allein um Sanierung oder Neubau eines Schauspielhauses. Im Streit, in den sich nun auch Prominente, der FC Köln und Karnevalisten einmischen, bricht sich der Verdruss von Jahren Bahn.
Die Bürger mischen sich in Köln ein. Das ist kein Wunder. In Zeiten einer globalen Finanzkrise und von Kommunen, die vor der Zahlungsunfähigkeit stehen, ist das tatsächlich eine grundlegende Frage: Kann Köln sich ein neues Schauspielhaus leisten? Oder tut es auch eine Sanierung, die mindestens 38 Millionen und bestenfalls 115 Millionen Euro preiswerter ist? Nicht zu reden von städtebaulichen Aspekten und vom Denkmalschutz.
Dass die Kölner Bürger sich einmischen, muss niemand wundern. Die Kette von Krisen, Pannen und Desastern in dieser Stadt ist lang und jede Pleite wird unabhängig von daran beteiligten Parteibüchern oder Personen unter dem Etikett „Stadt Köln“ verbucht. So muss der neue Oberbürgermeister Roters eine Suppe auslöffeln, die er nicht selbst auf den Herd gestellt hat. Aber dass ihm dieses Erbe droht, wusste er vor seiner Wahl.
Wirtschaft und Gesellschaft haben sich in der wirtschaftlichen Krise tief verändert. Jeder kennt das aus seinem Umfeld. Arbeitsbereiche werden auf den Kopf gestellt, Menschen müssen ihre Lebensplanung verändern, Familien Anschaffungen zurückstellen oder streichen. Insoweit sticht das Argument nicht, die Stadt plane nun schon seit geraumer Zeit den Neubau eines Schauspielhauses und müsse ihren Plänen treu bleiben. Wenn die Verhältnisse sich gravierend ändern, plant man besser um.
Zur Beschwichtigung wird eingewendet, die Stadt habe die Neubaukosten „Schauspielhaus“ gedeckelt. Deshalb könnten sie nicht steigen. Aber wie arbeitet dieses Prinzip? Und warum hat man diesen Kostendeckel nicht schon beim Bau der Nord-Süd-U-Bahn eingeführt? Denn deren Baukosten haben sich auf nahezu auf rund eine Milliarde Euro verdoppelt. Es ist auch dieser U-Bahn Bau, der in Form von Giga-Baustellen, von Dreck, Chaos, Stau bis hin zur schlichten Verwüstung des Stadtarchivs den Zweifel an der Stadt geschürt hat. Ein zweites Mal würde niemand mehr wagen, ein solches Projekt zu beginnen. Zum Bild dieser Unvollkommenheit trägt bei, dass schlicht versäumt wurde, die Querung dieser Bahn über die Rheinuferstraße zu planen. Wie es ausschaut, kreuzt das Zukunftsprojekt wie zu Kaisers Zeiten die Rheinuferstraße, Kölns letzte verbliebene Verkehrsader. Im Grunde rechnet man in Köln nicht mit dem Bürger. Zwar darf er sich auf Befragen – Stichwort Bürgerhaushalt – etwas wünschen. Aber wenn er mitgestalten möchte oder gar kritisiert, wird es schwierig. Der erste Spatenstich zum neuen Godorfer Hafen wurde von Sicherheitsvorkehrungen begleitet, als habe man mit Terror-Anschlägen zu rechnen. Dabei hatte lediglich eine Bürgerinitiative das Großprojekt kritisiert.
Und wenn diese Zeitung immer wieder darauf hinweist, dass die Stadt Stifter und Mäzene vergrault, so tut sie das nicht, weil sie glaubt, dass sich dadurch die katastrophale Finanzsituation Kölns ändern würde. Es ist vielmehr das Denken und Handeln, das Angst macht, weil es dazu führt, Mäzene zu vergraulen. So muss man fürchten, dass Impulse aus der Bürgerschaft geradezu mit System nicht genutzt werden.
Nun also das Schauspielhaus. Unversehens befindet Köln sich in der Situation, dass eine Schauspielchefin in der städtischen Wirklichkeit aufführt, was sonst der Bühne vorbehalten ist. Karin Baier ist unbequem, mischt sich ein, bezieht einen Standpunkt und gibt damit dem weit verbreiteten Unbehagen ein kämpferisches Gesicht. Die Stadt ist gut beraten, den Prozess Bürgerentscheid ernst zu nehmen und nicht mit Verfahrensfragen auf die lange Bank in Richtung Sommerloch zu schieben. Die Zahl prominenter Unterstützer des Bürgerbegehrens wächst praktisch stündlich. Nun sympathisieren auch noch Karnevalisten und der 1. FC Köln mit der Situation. Manchem geht es um mehr als allein das Schauspielhaus. Der Verdruss von Jahren bricht sich Bahn.